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Instrumentalisiertes Recht

 

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Am Fall des Musikers Manfred Keller zeigt sich, wie in den vergangenen drei Jahren die Meinungsfreiheit juristisch eingeschränkt wurde.

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Immer wenn in den vergangenen drei Jahren die offenkundigen Parallelen zwischen dem Coronatotalitarismus und den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte öffentlich angesprochen wurden, rief das sofort eine Welle der Empörung hervor. Solche Vergleiche seien unzulässig, denn sie verharmlosten die Verbrechen und verhöhnten die Opfer von damals. Entsprechend wurden jene Kritiker selbst Opfer von Diffamierungen und Beleidigungen. Sogar als die Holocaustüberlebende Vera Sharav im vergangenen Jahr auf einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 75. Jubiläums des Nürnberger Kodexes auf die Parallelen aufmerksam machte, wurde sie nicht nur Opfer von Verhöhnungen und Anfeindungen, sondern es trat sogar die Staatsanwaltschaft auf den Plan und leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung ein.
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So erging es in den letzten Jahren vielen, die das Offenkundige aussprachen. Sie wurden diffamiert, denunziert und verfolgt, weil sie sich kritisch gegen die Regierung und die herrschende Meinung stellten. Immer wieder wurde dabei der Paragraph 130 des Strafgesetzbuches (StGB) instrumentalisiert. Dieser Paragraph, der sich gegen die Verharmlosung oder Leugnung des Holocaust wendet und diese unter Strafe stellt, wurde seines eigentlichen Zweckes vollkommen entfremdet und als Waffe gegen Kritiker der aktuellen Regierungspolitik eingesetzt. Denn eigentlich sollte er als Absicherung gegen eine Wiederholung der geschichtlichen Ereignisse dienen, indem die Verbrechen des Regimes von damals nicht herabgespielt, verharmlost oder gar geleugnet werden dürfen, auf dass sich in der Bevölkerung keine Akzeptanz der NS-Ideologie ausbreite.
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Doch gerade jene Äußerungen, die Parallelen zu den damaligen Zuständen zogen, um vor deren Wiederholung zu warnen, wurden paradoxerweise unterbunden.
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So wurde eine Wiederholung wahrscheinlicher — denn wie sollte man verhindern, dass sich das Unrecht von damals wiederholt, wenn man offenkundige Parallelen nicht ansprechen darf?
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Viele, die das versuchten, wurden von der Justiz verfolgt und können ein Lied davon singen, wie ein Straftatbestand, der als Antwort auf das Unrecht vergangener Zeiten eingeführt worden war, dazu missbraucht wird, ebensolches Unrecht — insbesondere die eklatante Einschränkung der Meinungsfreiheit — zu wiederholen.
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Einer derjenigen, die diese Erfahrung machen mussten, ist Manfred Keller, der als Musiker Augustin Teil der alternativen Musikszene ist. Im Frühjahr 2021 teilte er in einer Facebookgruppe eine Karikatur, die den Schriftzug „Impfen macht frei“ zeigte, sowie das Abbild eines Davidssterns, auf dem „Unvaccinated“ steht. Damit reagierte er auf eine Aussage des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn, der wörtlich sagte: „Wir impfen Deutschland zurück in die Freiheit.“
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Der Wortlaut des Gesundheitsministers wurde durch die Karikatur nur leicht abgewandelt, und die Assoziation kann bei einer derartigen Aussage leicht entstehen. Das Offensichtliche zu benennen war aber offenbar nicht erlaubt, denn schon wenig später wurde Keller angezeigt, und noch im Frühjahr desselben Jahres, also extrem schnell für die Verhältnisse des deutschen Rechtssystems, kam es zum Verfahren gegen ihn am Amtsgericht Aichach.
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Auf die Frage des Richters, ob er denn der Meinung sei, dass man Parallelen zwischen damals und heute erkennen könne, antwortete Keller freimütig, „dass ich sehr wohl Parallelen sehe zu Vorgängen in der NS-Zeit, vielleicht nicht zu 1941 bis 1945, aber schon zu 1933 bis 1937, was die Ausgrenzung, Diskriminierung und Behandlung Andersdenkender betrifft“. Auch die Gleichschaltung der Medien sprach er an, was dem Richter ganz und gar nicht gefiel. So ließ er sich von seinem Urteil nicht abbringen: Relativierung des Holocaust. Strafe: 60 Tagessätze. Hinzu kommen natürlich noch die Gerichtskosten sowie die Kosten für den Anwalt.
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Keller und sein Anwalt legten Rechtsmittel ein, und es kam zu einer Berufungsverhandlung am Landgericht Augsburg im November 2021. Das Ergebnis blieb allerdings dasselbe. Begründet wurde dies damit, dass das Teilen der Karikaturen geeignet gewesen sei, „im Kreis der Impfgegner (sic!) Emotionalisierung zu bewirken und die Hemmschwelle für gewaltsames Vorgehen gegen staatliche Maßnahmen und Personen, die die Einhaltung von Coronaregeln durchsetzen müssen, wie etwa Polizeikräfte, zu senken sowie durch Einschüchterung Dritter ein Klima der Angst und Rechtsunsicherheit zumindest bei bestimmten Bevölkerungsgruppen zu erzeugen“.
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Das Urteil nimmt zudem Bezug auf das politische Klima, in dem sich antisemitische Tendenzen verstärkt hätten, und erklärt, dass derartige Vergleiche zumindest bei den Überlebenden des Holocaust und deren Angehörigen ein Klima der Angst und Verunsicherung schüren würden. Wenn dem, was unter der Herrschaft des Nationalsozialismus geschehen sei, der Nimbus des Außergewöhnlichen genommen würde, indem es zum austauschbaren Vergleichsobjekt für unliebsame, als belastend empfundene Maßnahmen degradiert würde, bestehe die Gefahr einer sinkenden Hemmschwelle für antisemitische Übergriffe. Das Gericht betont hier also die historische Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit der Verbrechen des Naziregimes.

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Verschleierung und Reinwaschen

Das Gericht urteilt, das Teilen der Karikaturen sei geeignet, „Impfgegner (sic!) als Widerstandskämpfer zu stilisieren und ihnen damit zu suggerieren, auch gewaltsamer Widerstand gegen staatliche Maßnahmen sei gerechtfertigt“. Zudem erklärt das Gericht ohne jeden Beweis, dass in diesen „Kreisen der Impfgegner (sic!) ein gewisses Gewaltpotenzial“ abrufbar sei, wie „die Entwicklungen in jüngster Zeit“ bewiesen haben sollen. Das Teilen der Karikatur sei also „geeignet“, den öffentlichen Frieden zu stören.
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Man erkennt deutlich, dass das Gericht hier weitgehend auf der Basis von Vorurteilen aus den Medien entschieden hat. Die wiederholte Verwendung des Wortes „Impfgegner“ kann das Gericht nur der medialen Dauerbeschallung entnommen haben. Es wurde unreflektiert und vorurteilsbehaftet verwendet, was auf eine entsprechende Geisteshaltung gegenüber dem Angeklagten schließen lässt. Die Richterin war offenkundig befangen.
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Zudem knüpft sie an die Mythen der unwiederholbaren Verbrechen des Naziregimes an, die einen historisch einmaligen Status erhalten und behalten müssen. Natürlich waren die Verbrechen des Regimes von unfassbarem, nie gekannten Ausmaß und zeichneten sich insbesondere durch die Institutionalisierung des Tötens bestimmter Bevölkerungsgruppen aus.
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Doch die Schlussfolgerung, dass sich so etwas nicht wiederholen könne, kann so einfach nicht gezogen werden. Denn erstens ist niemand in der Lage, in die Zukunft zu blicken, und zweitens kann etwas, was einmal geschehen ist, sehr wohl jederzeit wieder geschehen. Gerade durch diese Erhöhung als einzigartiges Verbrechen wird eine Wiederholung erst ermöglicht. Denn wenn man mit diesem Verbrechen nichts vergleichen darf, dann können Parallelen und Wiederholungen auch nicht erkannt werden, was gerade dazu führt, dass diese Verbrechen erneut passieren.
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Auf diese Weise wird jeder Totalitarismus reingewaschen, wenn ihm stets der Nazitotalitarismus als noch wesentlich dramatischer und schlimmer gegenübergestellt wird. Der Totalitarismus und auch seine etwaigen Verbrechen werden auf diese Weise verschleiert und als harmlos dargestellt, weil es stets das viel schlimmere Negativbeispiel der deutschen Geschichte gibt, und weil ein Vergleich, auch wenn er noch so angebracht sein sollte, zumindest eine Welle der Empörung und Verleugnung mit sich bringt, oftmals aber auch die Verfolgung seitens des staatlichen Justizapparates. Auf diese Weise macht sich die Justiz zum Erfüllungsgehilfen eines totalitären Regimes.
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Bezeichnend ist auch, dass die Richterin am Landgericht dem Angeklagten vor Beginn der Verhandlung anbot, das Verfahren nicht durchzuführen, wenn er das Urteil des Amtsgerichts akzeptiere. Dabei legte sie ihm einen Artikel der Süddeutschen Zeitung vor, nach dem der Oberstaatsanwalt Bayerns erklärt hatte, dass die Urteile anderer Gerichte in gleichgelagerten Fällen keine Berücksichtigung finden sollten. Keine Beachtung finden sollte also eine ganze Reihe von vormaligen Freisprüchen, bei denen die Richter solche Karikaturen, die zu Hunderten in den sozialen Netzwerken kursierten, als Teil der freien Meinungsäußerung betrachteten. Auch die „Freiwillige Selbstkontrolle im Netz“ (FSM) billigt Judensterne und Vergleiche mit dem Holocaust. Die Richterin gab dem Angeklagten mit Vorlage des Artikels zu verstehen, dass er mit seiner Berufung ohnehin keine Chance habe, und war damit erkennbar befangen, da sie ihr Urteil schon vor Beginn der Verhandlung gefällt hatte.
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In ihrem Urteil hat die Richterin dem Angeklagten Keller zudem eine „Vergiftung des geistigen Klimas“ zur Last gelegt. Ein solches ist dem Gesetz nach aber gerade nicht strafbar. Zudem führte sie an, dass Gewalttaten wie jene in Idar-Oberstein gerade durch dadurch entstünden, womit sie offenkundig versuchte, Keller Gewaltverbrechen zur Last zu legen.
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Die Urteilsfindung mit den anwesenden Schöffen dauerte, Aussagen Kellers und seines Anwalts zufolge, ungewöhnlich lange. Sie wurden Zeuge davon, wie die Richterin die Schöffen im Nebenraum anschrie, bevor sie wieder in den Verhandlungssaal zurückkehrten und das Urteil verkündeten: Relativierung des Holocaust. Strafe: 60 Tagessätze zu je 20 Euro.
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Keller war es aufgrund seiner wirtschaftlich prekären Lage möglich, die Strafe auf insgesamt 1.200 Euro herunterzuhandeln. Die Gerichtskosten und die Kosten für den Anwalt blieben aber unverändert.

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Die Fälle der jüngeren Vergangenheit zu ignorieren und einfach auf sich beruhen zu lassen, ebnet den Weg in den nächsten, totalitären Wahnsinn.

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