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Mathematik-Professor Bernhard Krötz vergleicht die schulischen Anforderungen in Indien mit NRW – und zieht ein vernichtendes Fazit. Was sagt das verantwortliche Schulministerium dazu?
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Es muss etwas passieren im deutschen Bildungssystem. Darin sind sich eigentlich alle einig – Politiker, Lehrer, Eltern und Schüler. Doch es passiert: nichts. Auf den verpatzten Bildungsgipfel von Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), an dem fast kein Bildungsminister teilnahm, folgte nun die Kultusministerkonferenz. Es geht darum, das Abitur anzugleichen.
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Doch ist die Frage, wie man das Abitur in Bremen und Sachsen-Anhalt vereinheitlicht, wirklich das Problem an deutschen Schulen? Nicht für Bernhard Krötz. Am 21. Februar lädt der Mathematik-Professor ein Video auf YouTube hoch. Üblicherweise liegen seine Klicks im vierstelligen Bereich. Dieses Video sticht mit über 160.000 Aufrufen heraus. Anscheinend trifft er einen Nerv. Krötz sitzt vor einer Bücherwand. Er spricht ruhig, sachlich und unaufgeregt. Dabei ist seine Aufregung groß.
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Denn Krötz bekommt aus erster Hand mit, wie gut das Abitur auf ein Studium der Mathematik vorbereitet. Sein ernüchterndes Fazit: gar nicht. Studenten im ersten Semester seien „mathematische Anfänger“. Verantwortlich wäre dafür der viel zu seichte Unterricht in der Oberstufe. „Über die Anforderungen im naturwissenschaftlichen Bereich kann man in Asien nur lächeln“, sagt Krötz.
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Mathematik-Professor: Deutsche Schüler wären in Indien komplett überfordert
Krötz wird in seinen Ausführungen konkret. Er vergleicht die Prüfungsaufgaben aus Indien mit den Anforderungen in NRW. Als Referenz wählt Krötz das „Joint Entrance Exam“ (JEE). Es ist der wichtigste Test in Indien. Wer ihn meistert, kann sich die Universität aussuchen. Aufgabe für Aufgabe geht Krötz die Prüfung durch und kommt zum Schluss, dass fast kein deutscher Schüler diesen Test bestehen würde. Dabei ist die Durchfallquote auch in Indien hoch. Von 400.000 Schülern haben lediglich 10.000 die Hälfte der Aufgaben richtig bearbeitet. Für Krötz aber viel wichtiger: Unter 15 Prozent fällt kein indischer Schüler. Das liege auch am sehr strengen Zeitlimit von drei Stunden. Mit mehr Zeit könnten viele Inder zumindest ein Drittel schaffen, ist der Mathematik-Professor überzeugt. Das traut er deutschen Schülern nicht zu.
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Dabei braucht es auch hierzulande mehr gut ausgebildete Naturwissenschaftler. Noch wichtiger: gut ausgebildete Naturwissenschaftlerinnen. Rund ein Drittel der Studierenden sind Frauen, zwei Drittel Männer. Besonders in den Bereichen Softwareentwicklung und Informatik klagen Betriebe über viel zu wenig Nachwuchs. Nach Einschätzung des Unternehmerverbands NRW wird der Fachkräftemangel in den MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) schon „zu einer echten Gefahr für den Wirtschaftsstandort, unseren Wohlstand und auch für die Transformation.“
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Mit den hiesigen Anforderungen kann man dieses Problem nicht in den Griff bekommen, sagt Krötz. Er nimmt den neuen, noch nicht veröffentlichen NRW-Kernlehrplanentwurf im Fach Mathematik auseinander. Woher er den Entwurf hat, bleibt offen. Krötz‘ Fazit: Die Aufgaben sind viel zu leicht.
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Schulunterricht in Indien: Stärkerer Fokus auf Naturwissenschaft
Ein ganz anderer Wind, also Leistungsdruck, wehe in Indien. Dort sei die gesamte Schulbildung wesentlich anspruchsvoller und stärker auf die Naturwissenschaften konzentriert, sagt Krötz. Wenn ein indischer Schüler in den MINT-Fächern seinen Schwerpunkt setzt, habe er in der Woche je sechs Stunden Mathematik, Chemie und Physik in der Woche. Dazu weitere sechs Stunden Biologie oder Informatik.
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Eine Kritik, die bei den Verantwortlichen abperlt. „In dem in Rede stehenden indischen Test JEE werden in vielen Bereichen Kenntnisse abgeprüft, die erst in einem Hochschulstudium vermittelt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Vergleich des JEE-Advanced mit dem Entwurf des neuen Kernlehrplanentwurfs Mathematik für die gymnasiale Oberstufe unangemessen“, heißt es aus dem NRW-Schulministerium. Außerdem werde in dem Video eine Fassung des Kernlehrplanentwurfs gezeigt, „die in weiten Teilen nicht der veröffentlichten Fassung entspricht.“
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